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mosaik

 



 


Dezember

 

Unsinn

Ich habe hier einmal behauptet, dass ich nie über längere Zeit Tagebuch (oder etwas ähnliches) geführt habe. Das war natürlich Unsinn! Auf die eine oder andere Art habe ich in meinen Geschichten immer 'Tagebuch' geführt - quer durch die Zeiten und Räume.

Insofern ist mir klar geworden, dass diese Website mehr und mehr zu einer Art Autobiografie wird. In dieser Autobiografie fehlen viele private Augenblicke, und es fehlt die chronologische, zumindest aber die lineare Anordnung. Dennoch ist diese Site der Versuch einer "nachträglichen Sinngebung des gelebten Lebens aus einheitlicher Perspektive" (wie es in Wilpert's 'Sachwörterbuch der Literatur' heißt).

Was mache ich nun damit?

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit einer Dramaturgin bahnt sich eine konkrete Zusammenarbeit an, was das Drehbuchprojekt Die Piratin angeht (siehe Dezember 2002). Ich bin darüber sehr glücklich, weil ich als hausgemachter Einzelgänger im Dickicht der Filmindustrie vermutlich wenig Chancen hätte. Jetzt habe ich immerhin ein wenig mehr!

 


 

Die Arbeit eines Schriftstellers (3)

 

Der Roman 'Lucky in Kessel' ist zurzeit in der 'Erprobungsphase'. Befreundete Kollegen und (wichtig!) 'normale' Leser prüfen den Text auf Stimmigkeit.

Die sich manchmal daraus ergebenden Werkstattgespräche können sehr interessant sein. Denn klar ist, dass der Autor gewiss selbst nicht der beste Interpret seines Werkes ist. Vielmehr offenbart sich nicht selten eine stimmige andere Lesart.

Zu einem Beispiel für das Verhältnis von bewusstem zu unbewusstem 'Schöpfungsakt' ist für mich der folgende kurze Ausschnitt aus dem neuen Roman geworden: Der Ich-Erzähler berichtet darin, wie er die Begegnung mit einer Frau erlebt. Im Laufe der Zeit wird sich daraus eine sexuelle Beziehung entwickeln.

"Schmale Figur. Hübsches Gesicht mit halblangen und halbblonden Löckchen, sodass ich mich frage, ob das echt ist. Sie schaut sich suchend um, bevor sie den Tankverschluss öffnet und nach dem Zapfhahn fürs Normalbenzin greift. Als sie ihn sicher hat, schleppt sie das Ding zwei Schritte rückwärts. Ihre Beine sind, für eine so zierliche Person, ich schätze mal eins fünfundsechzig, super lang."

Als ich in einer Runde von Kollegen (u.a.) diese Passage vorlas, wurde die Eindeutigkeit der sexuellen Symbolik kritisiert: aus dem Zapfhahn, den ich als Detail eines gewöhnlichen Tankvorgangs beschrieben hatte, war für psychoanalytisch versierte Leser ein Phallussymbol geworden.

Das sind schöne, manchmal aber auch: beschämende (nämlich, wenn das Bewusstsein für das, was man geschrieben hat, offenbar nicht auf der Höhe der Zeit war), immer jedoch überraschende Momente.

 


 

Schreiborte

 


A
ls Schüler auf der Volksschule schrieb ich gerne sogenannte Phantasie-Aufsätze. Meine Lehrerin förderte dies. Um dabei ungestört zu sein, aber auch um durch meine Schreibwut die anderen nicht zu irritieren, wurde ich bei diesen Gelegenheiten in einen durch eine Glaswand abgetrennten Teil des Klassenraums gesetzt.

Ich erwähne das, weil diese Situation - für andere gut sichtbar meiner Tätigkeit nachzugehen und zugleich beobachten zu können, was die anderen tun - eine spätere Vorliebe vorwegnahm: im Café oder überhaupt in einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit zu schreiben.

Diese Vorliebe ist nicht ungewöhnlich, vielmehr teile ich sie mit vielen Autoren. Gleichwohl hat jedes Schreiben an einem bestimmten Ort ein unverwechselbares Gesicht. Davon will ich versuchen etwas zu vermitteln:

Wo ich schreibe

 

 

 



 

Torfabbau

 

 

 

 

 

 

 

April/Mai

 

Vor einigen Jahren war ich mit meiner Familie für zwei Monate Artist in Residence im Heinrich Böll-Cottage in Dugort/Achill Island (etwa 150 km nordwestlich von Galway). Von der Fremdartigkeit der Insel beeindruckt begann ich schon bald nach meiner Ankunft mit einer Erzählung über einen Ingenieur, der mit seinen beiden kleinen Kindern für einige Monate von Köln auf die abgelegene irische Insel kommt, um dort im Auftrag der Ford Corporation eine Studie zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang traf ich auch auf die Geschichte von Grace O'Malley, der historisch verbürgten 'Piratenkönigin', die im 16 Jh. die Seewege vor der Westküste Irlands beherrschte.

In Teil 2 meines literarischen Reiseführers ist eine kurze Beschreibung der Insel zu lesen, wie sie in der Erzählung 'Die Piratin' enthalten ist.

 




Die Mägen füllen (2)

 

"Während Franzi den Teig knetet, erfasst bald eine Art von Rhythmus ihren Körper und es gibt nichts auf der Welt, was ich in diesem Moment lieber wäre, als der Teigklumpen in ihren Händen."

Erotik und Essen - das ist eine alterprobte, dankbare Verbindung. In meinem neuen Roman 'Lucky in Kessel' findet sich die einfache Zubereitung einer einfachen Pizza.

Jetzt unter Teil 2 meiner 'literarischen Rezepte'.

 

 

 



 

 

 

März

 

All die schönen Sünden ist im Rowohlt Verlag erschienen - ein erotisches Lesebuch, herausgegeben von Bettina Hesse. Ich bin darin mit 'Schreie', einem Ausschnitt aus dem neuen Roman 'Lucky in Kessel' vertreten.

"Unsere besten Aufnahmen entstehen morgens. Wenn Benjamin aus dem Haus ist, haben wir freie Bahn, zwei oder drei Stunden lang, in denen wir tun können, was wir wollen. Niemand im Haus kümmert sich darum, ob und aus welchen Gründen eine Frau schreit. Denn Franzi schreit manchmal. Das ist neu für mich, es erregt mich, und ich verstehe es als eine Anerkennung im Sinne von ‚Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft'.
Die Bilder der Webcam zeigen bis ins Detail, wie sich ein Körper sehnen kann, von einem anderen niedergedrückt zu werden. Franzi ist dann völlige Hingabe, und das ruft ein Verlangen in mir hervor, ihr mehr von meiner Kraft zu zeigen. Viel mehr. Jedes Mal neu. Es ist wie eine Sucht.
(...)"

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

Mich interessiert zurzeit die Frage, was eigentlich passiert, wenn ein Jahr lang sämtliche staatliche Zuwendungen für die Kultur wegfielen.

Was, zum Teufel, würde wirklich passieren?

Würden Künstler verhungern?
Würden Museen, Theater, Konzerte, Lesungen und was es alles so gibt, vermissst werden?

Und wenn ja: was würde das bewirken?

 

 

Spruchdichtung

Eine Notiz zur Harald Schmidt Show:

Ich habe eine aktuelle Beschreibung seiner 'Late night show' gefunden:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Februar

 

Das Jahr 68 (und was es für die gleichnamige Generation bedeutete) hat die deutsche Literatur aus dem Kontext der Weltliteraturen herauskatapultiert. Damit meine ich nicht die Hinwendung zu einem dezidiert historisch-gesellschaftlichen Engagement innerhalb der Literatur - sondern den deutschen Sonderweg, ein solches Engagement nur in linker Abgrenzung zum nationalsozialistischen Deutschland praktizieren zu können. Die Literatur ist dabei selten über das Erklären ihrer Bedingungen hinaus gekommen, die vor allem ein traditionell verstandenes Erzählen ausschließen wollten: mit der Folge, dass in Deutschland kaum noch Geschichten erzählt wurden.

In anderen Ländern und Sprachen wurde unterdessen erzählt. All unsere Bemühungen, auch global auf einem aktuellen Stand des Diskurses zu sein, führten zu nichts anderem als unsere Literatur provinziell, alt und vor allem akademisch zu machen. Sie erwies sich als nicht mehr wettbewerbsfähig. Die angelsächsische, die lateinamerikanische, die nordeuropäische und viele andere Literaturen und ihre Erzähler zeigten hingegen, dass Engagement innerhalb der Literatur auch ohne Ideologie auskommt. Dies geschieht vor allem durch Hinwendung zum Alltag, wo diese Erzähler ihre unerhörtesten Geschichten finden: Geschichten, die berühren, weil sie ihren Maßstab in den Menschen finden, von denen sie erzählen.

 


 

 

 

 

 

 

 


"Spruchdichtung, von Simrock, dem Übersetzer Walthers von der Vogelweide, eingeführte Bezeichnung für bestimmte Formen der mittelhochdeutschen Dichtung, in der jedoch zwei grundverschiedene Dichtungsgattungen durcheinandergeworfen werden: 1. der gesprochene 'Sprechspruch' - nur er hieß mhd. 'spruch' - sentenziös-didaktischen Inhalts in vierhebigen Reimpaaren (?) (Sprechversen), unkomponiert, ohne Stropheneinteilung und zum mündlichen Vortrag durch Rezitatoren oder das Publikum selbst bestimmt, später auch zur schriftlichen Verbreitung. Seine lehrhafte, meist direkt moralisierende Grundhaltung findet sich schon seit dem 12. Jh.; 2. der gesungene sog. lyrische oder 'Sangspruch', strophisch und mit fließenden Grenzen zum Lied und trotz seiner schlichteren Form der Minnelyrik angenähert. Der Inhalt ist teils persönlich (Biographisches, Streitigkeiten mit den Kunstgenossen, Bitten an die Gönner), teils politisch (Stellungnahme im Parteikampf), religiös oder allgemein lehrhaft-moralisch (Lebensweisheiten, Minnedidaktik u. ä.). (...) Walther von der Vogelweide führt die Gattung zu voller Kunsthöhe und großem Formenreichtum, meist 6-12 achthebige alternierende Verse (?) mit komplizierter Reimkunst: sein leidenschaftliches Temperament bezieht alle großen Fragen der Zeit in die Form ein und nimmt zu ihnen Stellung."

Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur

 


 

Beim Wunderlich Verlag ist der von Bettina Hesse herausgegebene Band Von Sinnen erschienen. "Ein erotisches Lesebuch", in dem von mir die Geschichte 'Das Päckchen' zu finden ist - ein Kapitel aus dem umfangreichen Roman 'Reichstage'.

"Als ein hinter ihnen her bummelndes Bewusstsein sie wieder einholte, machte es ihnen klar, dass sie unbequem lagen. Schwer atmend schauten sie sich um, wo ihre Kleidungsstücke waren.
'Ist das der dekadente Westen?', fragte sie zufrieden.
Ihre Stimme behielt noch jenen halblauten Ton bei, mit dem sie sich verständigt hatten.
'Nein - nur Planerfüllung! Im Sozialismus machen wir das immer so.'
Sie knuffte seinen Bauch, spürte gleich den Widerstand der Muskulatur. Frederik zog sie noch einmal an sich.
Sie schlang die Arme um seinen Schädel und drückte sein Gesicht an ihre Brust.
'Wer sagt', flüsterte sie, 'Ost und West passten nicht zusammen?'
Ihre Oberflächlichkeit reizte ihn."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Januar


Aus dem 03-Jahreshoroskop für den Skorpion:

"Sie haben jetzt die Kraft, Ihre eigenen Interessen mit Nachdruck durchzusetzen."

Das Bleigießen an Silvester erbrachte eine Kollektion von Säbeln und Dolchen. Das Jahr kann kommen.

 

 

Aus einem Schreiben des Finanzamts:

  • "Haben Sie vor Aufnahme der Tätigkeit nach einer gründlichen Untersuchung des Marktes eine Gewinnprognose erarbeitet und diese an Hand der bisher ungünstigen Jahresabschlüsse fortgeschrieben (Hinweis auf Finanzgericht Rheinland-Pfalz, EFG 1994 S.655)? Wenn ja: Wie sah diese aus? Bitte aussagefähige Unterlagen vorlegen.
  • Wie lange rechnen Sie noch mit weiteren Verlusten?
  • Reichen Sie bitte eine Kalkulation ein, die eine Vorausberechnung der zu erwartenden Gewinne und des angestrebten Totalgewinnes enthält.
  • Welche Anstrengungen haben Sie unternommen, um Waren oder Dienstleistungen trotz der bisher erheblichen Verluste attraktiver anbieten zu können?"

 



Update: Die Erzählung Im Bad wurde von mir überarbeitet und neu eingerichtet.