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< ..Position! [3] ....../ / / .Reichstage. Roman





Nach der Schule hatte Bel dies und das ausprobiert, ohne sich entscheiden zu können. Oft gab es deswegen Streit mit dem Vater. Ich fragte Bel erneut, was es damit auf sich hatte. Und wieder antwortete sie ausweichend. Natürlich wollte ihr Vater, dass sie studierte. Jura. Betriebswirtschaft. Aber Bel fand etwas bei einem griechischen Schneider, lernte den Umgang mit Nadel und Faden. Nach ihrer Lehre ging sie für ein Jahr nach Mailand, vor allem des Big Business wegen, wie sie sagte. Später zog es sie an die Seine.

Ihr Vater half ihr mit Beziehungen. Er hatte sehr gute Beziehungen, soviel hatte ich schon mitgekriegt. In Paris arbeitete Bel bei verschiedenen Couturiers und verschiedene Couturiers erprobten ihre Fähigkeiten. (Bel drückte sich bewusst zweideutig aus. Längst war ich eifersüchtig.) Sie nähte, entwarf, half bei den Vorbereitungen für die Frühjahrs- und Herbstshowen, war bei Verhandlungen mit Stoffherstellern dabei und wenn wichtige Labels zu bedienen waren. Geschäft. Big Business.

Doch ausgerechnet eine Frau, Madame Claude, sagte eines Tages zu ihr (in einem ungeduldigen Ton, als gelte es, einen alten Fehler zu korrigieren): "Mach was aus dir, Kleine - aber da oben, auf dem Laufsteg!"

Das hieß: Madame Claude, die neben den giraffengleichen Models klein und unscheinbar wirkte, glaubte nicht, dass die Arbeit Backstage für Bel das Richtige war. Bel war damals Anfang zwanzig und kannte die Branche schon recht gut. Sie war nicht mehr naiv, aber auch nicht in allen Dingen erfahren, und sie folgte dem lakonischen Wink von Madame Claude. Hinzu kam ihre Schönheit. Sie war wirklich schön. Und wie man Blicke auf sich lenkte, brauchte sie nicht erst zu lernen.


Sieben Jahre blieb sie bei dem 'Zirkus'.
"Daher stammt eine fundamentale Abneigung", erklärte sie mir, als sie sich zum ersten Mal auszog, "gegen den String!"
Es war Berufskleidung für sie, die sie ablegte, wenn die Arbeitszeit ändete. Jedenfalls in späteren Jahren.
Immer wieder waren es die gleichen Situationen gewesen: Raus aus den Klamotten, raus aus den Strumpfhosen und in Windeseile die neuen schwarzen, roten oder farblosen über. In die Hocke und sich dehnen, bis die letzten Falten verschwunden waren.
"Schnell schnell schnell, Kinder!"
Reißverschlüsse, bedient durch Anziehhilfen. Reißverschlüsse, die sirrten nur so.
Und wie, oh falsche Liebeslust, die Klamotten wieder vom Leibe flogen.
"Her damit!"
"Beeilung, Kinder!"
Viele Hände. Von vorn, von hinten, von oben und unten zugleich, von den Seiten.
So viele Hände. Einige Male, wenn wir zusammen waren, wollte sie nicht, dass ich sie anfasste. Sie wollte mit mir schlafen. Sie wollte berührt werden. Aber sie wollte keine Hände auf ihrem Leib. Das war nur manchmal so. Für mich jedes Mal unerwartet, ohne erkennbaren äußeren Anlass. Sodass ich es als Variante hinnehmen konnte. Ich war sehr erregt.

"Bück dich, mein Engel!"
"Dreh dich um, mein Schatz!"
"Streck dich! Na los, mach schon!"
Enge und Disziplin. Überall warteten schon Kleiderreihen, Nummern und Polaroids, nach denen man auszusehen hatte.
"Genau so will ich das!"
Stets gab es jemanden, der das sagte.
Eine Baustelle des Chaos. Kleiderstangen. Accessoires. Kistenweise. Menschenpuppen. Handwerker. Mehr, als man sonst je zu Gesicht bekam. Frisöre und Visagisten, Stylisten, Designer, Aus- und Anziehhilfen.
"Mach was aus dir, Bel!" hatte es geheißen. "Aber da oben!"

Vielleicht hatte Madame Claude sie nur billig loswerden wollen? Aber Bel wollte davon nichts mehr hören. Oder sie wollte die Horrorgeschichten vergessen. Sie erzählte von Mädchen, die sich die untersten Rippen entfernen ließen, um die Taille zu strecken. Die ihren Busen aufpumpen oder die Lippen mit Silikon konturieren ließen. Und Weisheitszähne zog man, damit die Wangenknochen mehr hervor traten.
Zuchtauswahl: Beine, Taille, Busen, Haut, Gesicht.
Die Make-up-Orgien mit Schwämmchen, Puderquaste, Rougepinsel, Eyeliner und Wimpernzange. Die ewige Haarentfernung. Die Massen von Heißluftföhns wie im städtischen Hallenbad, Lockenstäbe wie in Reihenhaussiedlungen, Strumpfknäuel, Schmuckhäufchen, Sonnenbrillen, Kämme, Aschenbecher.
Rauchen war gut für die Figur.
Proletarisches Milieu.

Dann die Erregung, die vor dem ersten 'Bild' um sich griff. Alles schien wie hypnotisch darauf zuzusteuern. Vollblüter, die in ihre Rennboxen geführt wurden. Das Gesicht unter der Make-up-Maske. Doch die Augen mussten funkeln!

"Position!"

Der schneidende Ruf der Direktrice um Ruhe. Der Augenblick bevor das Tor geöffnet wurde. Die letzte Musterung. Dann gerieten die Gliederpuppen in Bewegung, das Vokabular wurde angeklickt, Blicke, Posen, das Lächeln, der Augenaufschlag, der Hüftschwung abgerufen.
Vor allem der Hüftschwung.
"Kehrt!"

Danach war es ein Austrieb der Masken wie an Aschermittwoch. Hinterausgänge. Müde, seltsam unspektakuläre Gesichter. Nahezu unbeobachtet, in alten Jeans, Lieblingsshirt und Turnschuhen, suchten die 'Mädchen' ein Taxi.
Davon hatte sie nach sieben Jahren weiß Gott genug.
Und die Kleider?
Sie würde schönere machen!

"Mach was aus dir, Mädchen!" hatte es irgendwann geheißen: "Aber nicht mehr da oben!"
Wer, welche Frau hatte ihr das gesagt? Mit Ende zwanzig war ihre Zeit als Model so gut wie vorbei. Jil? Oder Rosita? Oder Donatella? Oder war es nur ein Wink, ein bestimmter Ausdruck in den Augen eines Mannes gewesen?
Ich horchte auf. Aber auch das hatte sie vergessen wollen.



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Köln
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Köln, Frühsommer 89


Bisherige Kapitel mit Bel:

Jüdin
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