Literatur im Botanischen Garten von Köln

 

Sartre

Blutjung

Mercedes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ˆ

 


Sommerblumengarten


Grace

Sie ist von klassischer Schönheit, wie sie uns manche Filme der vierziger oder fünfziger Jahre vorführen. Typ Grace Kelly, vor ihrer Heirat mit dem monegassischen Fürsten. Ebenmäßige Züge, mittelblondes Haar, eine sportliche Figur. Dabei, dem Typ wie dem Klischee entsprechend, überaus kühl und desinteressiert. Ohne sich im Geringsten anzustrengen, übersieht sie, wen sie nicht sehen will. Sie hat es nicht nötig. Aus Gefälligkeit zu lächeln, das mag die Sache von anderen Frauen sein, nicht ihre.

Dabei ist ihre Schönheit nicht nur verstörend, sondern heute auch verstört: Das Haar hat sie achtlos im Nacken zusammengebunden, den Mantel und den Schal nicht abgelegt, als fröre sie in dem überhitzten Aufenthaltsraum. Sie raucht unentwegt und findet noch Gelegenheit, sich selbst wie von Fieber geschüttelt zu umarmen.

Fragte man jetzt nach ihrem Glück, so hätte sie nur einen verächtlichen Laut dafür: Es ist aus mit dem Glück!

Hintereinander, gerade so, dass eins in die noch frische Wunde des anderen geknallt ist, hat es sie erwischt: der Streit mit der Familie, der Autounfall (das Dümmste, was überhaupt nur möglich war: ein Linksabbiegevorgang mit von hinten herbeieilender Straßenbahn, die, was unerklärlich bleibt, übersehen wurde, eine Kollision der Stirn mit der Windschutzscheibe, sodass die Schleiftour über zwanzig oder dreißig Meter ohne eigentliches Bewusstsein bleibt: der Wagen fängt an zu brennen, was ihr aber auch von außen, von unangenehm laut kreischenden Passanten, mitgeteilt werden muss), dann, praktisch noch am Krankenbett, in einem Zustand allseitiger Beobachtung, die Mitteilung ihres Lovers, sie zugunsten einer anderen aufzugeben, mit sofortiger Wirkung, die Wohnung jedoch zu behalten.

Was soll man da noch machen?

Da bleibt nicht viel, als sich selbst zu umarmen und in der Welt ein Komplott zu sehen, gegen das eigene Leben gerichtet. Sie kann niemanden fragen und möchte doch jeden fragen. Zum erstenmal ist ihr das bewusst geworden.

 

26



mosaik