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28/2/06
Zu den 'Twosome'-Briefen habe ich nach und nach eine Reihe von Äußerungen und Anmerkungen bekommen. Ein Teil davon stammte aus den beiden 'Zielgruppen', die ich ausgemacht hatte: Golfer und Piloten. Es zeigt
sich, dass die Ausgangslage der Geschichte (das Kennenlernen von Amélie
und Johnny, die Verabredung) nicht deutlich genug wurde. Spielfeld
und Spielregeln müssen genauer abgesteckt werden. Ferner
müssen die örtlichen Bedingungen klarer hervortreten: wo wohnen
die beiden, wo sind sie 'gebased', was bedeutet das für ihre Möglichkeiten,
Golf zu spielen und eine dauerhafte Beziehung einzugehen. Ich werde
also zu den Datierungen (z.B. 26. März 2001
/ 28. März 2001) jeweils die Wochentage (nämlich Mo + Mi)
angeben, damit deutlicher wird, dass die beiden Piloten wirklich immer
an den selben Wochentagen spielen bzw. spielen müssen. Die nachhaltigeren Anmerkungen betreffen jedoch die beiden Figuren, von denen man sich mehr Details wünscht, um ihre emotionale Entwicklung besser nachvollziehen zu können. Das betrifft vor allem die Figur der Amélie. Patrizia verlangt von mir, dass ich Amélie mehr Hintergrund und Perspektive gebe. "Jetzt hat man sie vor allem als trauernde 'Witwe' vor Augen", sagt sie. "Glaubst du, ich möchte mal so eine Perspektive haben?" Zum Schluss vielleicht, was mir selbst an der Story wichtig war: Für mich sind Amélie und Johnny zwei nicht mehr ganz junge Piloten, die mit ihrem Beruf und in ihrem Privatleben eine Reihe von Desillusionen erlebt haben, die sie mittlerweile nachhaltig prägen. Als sie sich zufällig begegnen, ist dieses 'Twosome'-Spiel eine Möglichkeit, noch einmal etwas Neues auszuprobieren. Ich begleite die beiden dabei über einige Monate in ihren Hochs und Tiefs. Der 11. September ist für mich in einem relativ unpolitischen Aspekt von Bedeutung: nämlich wie ein übergeordneter Schicksalsschlag (die 'große' Politik) die faktische Möglichkeit für meine beiden 'Helden' ausschaltet, miteinander ihr privates Glück zu finden - so wie es an diesem Tag auch für Tausende anderer Menschen das Ende ihrer Wünsche und Hoffnungen gewesen sein mag.
Ich habe
Post von Natanael Sijanta bekommen und mich sehr
darüber gefreut. Natanael ist der Leiter des internationalen Mercedes-Benz-Teams,
das derzeit ein völlig neues Fahrzeugkonzept entwickelt. Er hat
mich eingeladen, das Team bei seiner weiteren Arbeit zu begleiten. Natanael
schrieb mir: "Unser Leben stellt uns ständig vor wachsende
Herausforderungen im privaten, sozialen und beruflichen Umfeld. Der
Wunsch nach individueller Freiheit und Selbstverwirklichung
wächst. Aber oft ist es
schwierig, die eigenen Wünsche mit den Anforderungen des Umfelds
in Einklang zu bringen. Da
ich
selbst seit geraumer Zeit an einer Geschichte über einen Entwicklungsingenieur
eines großen Autokonzerns arbeite, kann ich Natanaels Überlegungen
sehr gut nachvollziehen: HANS SCHERER ist ein
großer, gut aussehender Mann mittlerer Jahre, der von seinem Unternehmen
die Aufgabe bekommt, sich Gedanken über Sicherheitssysteme zu machen,
für ein Automobil der Zukunft. Das Unternehmen
schickt dabei immer wieder einmal Mitarbeiter in alle möglichen
Weltgegenden, um sich in einer ungewohnten Umgebung über dieses
Auto der Zukunft Gedanken zu machen. Hans Scherer wird nun nach Achill
Island geschickt, die größte irische Insel, im äußersten
Nordwesten gelegen. Karg, rau, menschenleer. Mit seinen Kindern kommt er nun aus einer mitteleuropäischen Großstadt auf das abgelegene Achill. Schon zuvor hatte Hans große Schwierigkeiten im alltäglichen Umgang mit den Kindern. Jetzt kommt die ungewohnte Umgebung hinzu, die gänzlich andere Maßnahmen erfordert, was Einkaufen und Ernährung, Freizeit und Spiel und natürlich seine Arbeit angeht. Hans war beim Tod seiner Frau nicht anwesend (obwohl sie es sich sehr von ihm gewünscht hatte), er glaubt deshalb, versagt zu haben und hat die tief wurzelnde Angst, irgendwann bei nächstbester Gelegenheit wieder zu spät zu sein - gerade auch was seine Kinder angeht. Denn die Insel hält eine Reihe von Gefahren bereit: das Moor, die See, hohe Cliffs. Scherer, der seine privaten Sicherheitssysteme verloren hat, muss sich nun auf der Insel Gedanken über die Sicherheitssysteme für ein Automobil der Zukunft machen. Doch nach dem Tod seiner Frau fühlt er sich wie ein Kugellager, das leck geschlagen ist. Aber wie es immer ist in solchen Situationen (in einer guten Geschichte): Hans lernt andere Menschen kennen, die ihm weiterhelfen: zwei Frauen - allerdings wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Und damit, sagt Patrizia, fängt das eigentliche Problem erst an... Lieber Natanael Sijanta, ich glaube, man kann leicht erkennen, wie ähnlich sich unsere Ansätze sind. Und so sehe ich unserer Zusammenarbeit mit freudiger Erwartung entgegen: Ich werde Sie über die Entwicklung von Hans Scherer auf dem Laufenden halten und hoffe andererseits, in Zukunft viel über die Fortschritte der Entwicklung des 'Grand Sports Tourer' zu erfahren. Vor allem wie er vom Zeichenbrett auf die Straße kommt und wie das internationale Mercedes Benz Team die scheinbaren Widersprüche zwischen Privatleben und Beruf auf der einen und die Kompromisslosigkeit in der Formfindung auf der anderen Seite gelöst hat. Patrizia sagt, sie gehe wirklich davon aus, dass ich dabei eine Menge lernen kann. Mit hoffnungsvollen Grüßen aus Köln
19/3/05 Paris war
zwar lausig kalt, aber überwiegend mit einem blauen Himmel gesegnet.
Ich habe die Stadt nach vielen Jahren wieder gesehen und schon im Vorfeld
wurde mir bewusst, dass sie mich auch literarisch beschäftigt hat:
in der längeren Erzählung Bekassinen (die im Band
'Die Liebe am Nachmittag'
enthalten ist). Insofern
spielte es für mich auch eine Rolle, die Schauplätze wieder
aufzusuchen, die vor 20 Jahren eine Rolle spielten: vor allem natürlich
der Louvre mit Patrizia schloss sich diesen Recherchen klaglos an, antwortete aber auf den Cimetière du Père Lachaise mit dem Cimetière du Montparnasse. Und auf die drei Ebenen des Louvre mit den sechs Etagen des Centre Pompidou (einschließlich des Atelier Brancusi an der Rue Rambuteau).
6/2/05 Später,
in den restaurierten Spichern-Höfen am Stadtgarten, haben gerade
jede Menge Flagshipstores eröffnet.
Und so klettern wir mit vielen vielen Anderen über viele viele
Treppen. Dafür kriegen wir minimalistische Bäder zu sehen,
die sich über dreißig Quadratmeter ausdehnen, Wohnparks mit
Sitzlandschaften, beschirmt von krakenartigen Kristalllüstern und
den wachen Augen der Security. Oder auch viele Anguckküchen für
Privatmensen. Nichtigkeiten.
Gegen Ende
des Rundgangs bin ich plötzlich tief in meiner Kindheit
angekommen: Quirrenbach. In einer
schummrigen Ausstellungsecke, als wir unvermittelt vor glatten, matt
glänzenden Basaltplatten stehen, dunkelgrau, verhalten gemasert,
in verschiedenen Formaten.
21/1/05
Gia fragt
danach, was es zum Abendessen gibt. Da die Putenbrust endlich weg muss,
schlage ich Putenbrust mit Paprika und Gurke vor. Aus dem Wok. Außerdem
muss Gia ein Kurzreferat zum Frauenbild Thomas Jeffersons im amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg machen. Heute noch. Sie ist in der 9. Patrizia sagt: Das heißt nur, dass er Schiss hatte, etwas von seiner Macht abzugeben. Gia versteht es noch nicht. Ich erkläre ihr also, dass ich es wahrscheinlich auch nicht toll fände, wenn der weibliche Teil der Familie so ohne weiteres wählen könnte, was es zum Abendessen gibt.
Was ist über die Größe eines Menschen zu sagen? Ich
habe ihn nie gesehen. Alfred Freiherr von Oppenheim.
Eine Ahnung
davon kam auf, als Gartenbaukolonnen Was ist über die Größe eines Menschen zu sagen? Wie er
geliebt wurde? 1789: die
Gründung einer Bank durch Salomon Oppenheim. Liebe. Freundschaft. Sympathie. Dankbarkeit. Hochachtung. Respekt. Er war unser Kapitän. Die Anzeige
seines Todes leitet ein mit englischen Versen von Alfred Lord Tennyson,
einen anderen Aristokraten betreffend: Was, fragt
Gia, ist ein melancholischer Geist? "Obwohl uns viel genommen ist", heißt es bei Oppenheim/Tennyson, "bleibt viel; und obwohl wir nicht mehr jene Kraft sind, die in alter Zeit Himmel und Erde bewegte, sind wir, was wir sind." Die offizielle
Trauer wird im Hohen Dom zu Köln seinen Platz finden, Ehrensenator der Universität, Träger des Verdienstkreuzes Erster Klasse, Kommandeur der Ehrenlegion, Präsident der Industrie- und Handelskammer, Vorsitzender der Freunde, Mäzen. Was ist über die Größe eines Menschen zu sagen?
"Es nützt wenig", heißt es an anderer Stelle des Gedichts, "dass ich als untätiger König an diesem stillen Herd, zwischen diesen kahlen Klippen, verheiratet mit einer alternden Frau, zumesse und austeile ungleiche Gesetze einem unzivilisierten Volk, das hortet und schläft und frisst und mich nicht kennt. Ich kann nicht rasten vom Reisen, ich will das Leben trinken bis zum letzten Tropfen. Ich habe es jederzeit sehr genossen, habe sehr gelitten, sowohl mit denen, die mich liebten, als auch allein". Alfred ist tot. Wenn ich
oder du sterben würdest, sagt Gia, wäre da nur ein klitzekleines
Ding.
7/1/05 Als ich
aus dem Ubahnschacht komme, frage ich eine junge Frau, wo die Wissmannstraße
ist. Sie muss ganz in der Nähe sein. Die Frau lächelt verhalten.
Sie ist klein, Anfang 20 und zierlich, auch wenn ihr Körper unter
einem dicken rotbraunen Wintermantel verborgen ist. Ihr Haar duckt sich
unter einer Art Baskenmütze. Sie sagt, dass sie selbst in der Wissmannstraße
wohne. Offenbar hat sie sich verlaufen. Oder sie ist wie ich eine Station
zu früh ausgestiegen. Merkwürdig. Ich werfe
einen kurzen erstaunten Blick auf ihre höckrige Nase und frage
mich, ob sie vielleicht Jüdin ist. Dann erwähne ich, dass
man in Köln nicht wenig stolz ist über die Heerscharen fremder
Völker, die seit 2000 Jahren durchs Rheinland ziehen (am schönsten
ausgedrückt, findet Patrizia, ist das bei Zuckmeier in Des Teufels
General). Außerdem ist sie doch selbst Ausländerin. Aber
das habe ich nicht erwähnt. Vermutlich, sagt Patrizia, weil man
höflich sein soll zu Ausländern.
30/12/04 Beim Ausmisten am Jahresende finde ich eine ältere FAZ. Ich erinnere mich wieder, warum ich sie gekauft habe: In einer Radiowerbung war zu hören gewesen, dass in der FAZ ein dicker Literaturteil dabei sei über die wichtigsten Bücher des Jahres. Klar, dass du nicht dabei bist! hatte Patrizia später gesagt. Darauf hatte ich die FAZ ungelesen beiseite gelegt. Jetzt hingegen überlege ich, dass es ja vielleicht hilfreich sein könnte zu wissen, wer dabei ist... Ich blättere sie also mit etlichen Wochen Verspätung durch. Dabei ist ein umfangreicher Artikel von und über Andreas Meier, eines Autors, dessen Arbeiten ich nicht kenne, dessen literarische Qualifikation freilich außer Frage zu stehen scheint. Er ist einen Teil seines Weges in ähnlicher Weise als 'Stipendienschriftsteller' gegangen wie ich und hat nun, in Potsdam angekommen, die Karre gegen die Wand fahren lassen. Gratulation, sagt Patrzia. Die Kulturhauptstadt 2010 in spe hat ihm ein Aufenthaltsstipendium gegeben, aber keine Wohnung parat gehabt und nun zeigte sich in dem folgenden Hickhack, dass von Meier erwartet wird, er möge für das Stipendium und die Wohnmöglichkeit in einer Potsdamer Plattenwohnung unter anderem wenigstens auch die Sehnsüchte der Plattenbaubewohner der Karl-Marx-Wohnungsbaugesellschaft literarisch aufarbeiten. Jeder Künstler kennt solche Begleiterscheinungen. Jeder nur durchschnittlich erfolgreiche Künstler ist auf solche Stipendien angewiesen (der einzige wirkliche Grund sich darum zu bewerben). Aber Patrizia sagt: Da ist euer Stolz, euer gottverdammter Stolz! Und da gibt man einfach (wie Herr Meier) der Kulturhauptstadt 2010 in spe das Stipendium zurück. Wie Patrzia schon sagt: Gratulation.
Das Wasser
in Köln ist vergiftet. Oder die Luft, die man in der Stadt atmet.
Patrizia sagt, dass sie absolut sicher ist. Das Gift wirkt schnell.
Die Folge ist eine weit reichende Amnesie. Betroffen ist jeder: Männer,
Frauen, Kinder, Junge, Alte. Besonders aber Politiker. Patrizia sagt,
weil ihr Immunsystem schon nachhaltig gestört ist. Bei ihnen bewirkt
die Amnesie, dass sie sich - was bestimmte Handlungen betrifft - an
nichts mehr erinnern. Letztes Beispiel: der OB. Sein Wahlkampf wurde
von einem Bauunternehmer mitfinanziert, ohne dass die CDU es als Spende
ausgewiesen hat. Doch war bisher leichtfertig die Rede von Klüngel,
Bestechung, Vorteilsnahme, Korruption, so würde nun eine Analyse
(des Wassers, der Luft) zutage fördern, dass eine Vergiftung vorliegt.
Gegen die sich der Einzelne nicht wehren kann. (Besonders, wenn sein
Immunsystem schon angegriffen ist.) Der Kölner Politiker ist seinem
Schicksal ausgeliefert. 13/12/04
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