Betreff:
Ihr Bericht vom 17.6. über das Künstlerdorf Schöppingen
Sehr
geehrte Damen und Herren,
Ihr
letzter Bericht über das Künstlerdorf Schöppingen ('Auch
das Künstlerdorf muss sparen') hinterlässt einen zwar
sachlichen, aber eher freudlosen Eindruck, der dem Alltag dort nicht
ganz gerecht wird. Dem will ich hier entgegenwirken, indem ich nur einmal
Servicebereich, Verpflegung und Arbeitsbedingungen erwähnen möchte.
Wie
vielleicht schon bekannt ist, wird von unserem Stipendium (monatlich
satte fünftausend Mark) ein Teil für den Servicebereich einbehalten
(bei mir rund 130 DM, allerdings ohne Strom). Dafür werden die
Betten gemacht, das Geschirr gespült und abends vor dem Schlafengehen
(es ist eine ländliche Gegend) die Wohnungen nach Spinnen und ähnlichem
Getier abgesucht.
Gegen
elf in der Frühe (vorher ist eh keiner wach) erwartet uns regelmäßig
ein liebevoll gedecktes Frühstücksbüfett. Manche der
Stipendiaten/innen erscheinen mit neuen Bekanntschaften vom vorangegangenen
Abend, und so ist es zumeist sehr kurzweilig.
Danach
ist erst mal Mittagspause. Gegen Vier schließt sich Teatime an
und gegen acht wird ein warmes Essen angeboten, in der Regel Münsterländer
Hausmannskost (Panhas, Bohnen mit Speck oder auch mal Pfefferpotthast,
dazu Altbier bis zum Abwinken).
Von
drei bis vier und von sechs bis sieben liegen die sogenannten Kernarbeitszeiten,
auf deren Einhaltung der Herbergsvater achtet. Um nur einmal von meiner
Arbeit zu sprechen: Wenn ich einen Einfall habe, rufe ich Lieschen,
die Schreibkraft, die den Literaten zur Verfügung steht, und diktiere
ihr vom Schaukelstuhl aus. Haben zwei Autoren zur gleichen Zeit einen
Einfall, kann es zu Engpässen kommen. Aber das ist zum Glück
selten.
Hat Lieschen auch eine Idee, schreibt sie die einfach dazu. So kommt
im Laufe der sechs Monate ganz schön was zusammen.
Bei
den bildenden Künstlern kenne ich mich nicht so aus. Ich weiß
nur, dass sie für die Kernarbeitszeiten Otto, den Hausmeister,
zur Verfügung haben. Der ist gelernter Schlosser und Anstreicher
und soll, wie es heißt, handwerklich sehr geschickt sein.
Zum
Ausklang des Tages wird ein Mitternachtsimbiss gereicht. Obwohl das
auch sehr angenehm sein kann, ist mir die Teatime am liebsten, vor allem
wenn die Herbergsmutter ihren leckeren Napfkuchen mit Rosinen gebacken
hat. Ist Christina (Rau) da (wir duzen uns hier alle, so als wären
wir in der selben Partei), bringt auch sie ihren Napfkuchen mit. Allerdings
ohne Rosinen. Der ist dann meist etwas trockener.
Mit
freundlichen Grüßen
Jochen
Langer