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- es war mir nicht im Geringsten peinlich, Bel anzufassen. Aber
es war mir irgendwie unangenehm, Bel in diese Maße gefasst
zu sehen. Dabei konnte sie selbst längst damit umgehen:
"Gibt es etwas", sagte sie, "dass selbstverständlicher
ist in dieser Branche, dass unmittelbarer Auskunft gibt über
die Verhältnisse, als die Ziffern, die Konfektionsgröße
und Industrienorm betreffen?"
Bel
stand in ihrem Ankleidezimmer, sie war nackt bis auf einen schwarzen
Slip und hielt ein Kostüm prüfend in die Höhe.
Dann wählte sie eine passende Bluse aus. Bel war erstaunlich
locker und gelöst. Wir hatten uns geliebt, es war schön
gewesen. Während ich noch im Bett lag und rauchte, redete
sie drauflos. Ich glaube, sie brauchte das. Noch vor ein paar
Jahren, sagte sie, sei sie ein gut bezahltes Model gewesen.
Daher der selbstverständliche Umgang mit den Maßen.
Ich stützte mich auf den linken Arm, um ihr zuzuschauen:
"Was heißt das? Du bist sehr schön, Bel, soviel
weiß ich ja - aber was habe ich mir darunter vorzustellen?"
Bel versammelte die Kleidungsstücke über den Arm,
um sie mit ins Bad zu nehmen. "Laufsteg. Runway. Catwalk.
Das heißt nicht viel und meist ist es eher banal. Figur
und so - das ist gut und schön, aber was mich angeht war
der Schlüsselreiz für die Branche nicht so sehr mein
Körper, sondern mein Haar!"
"Lass mich dir helfen! Ich helfe dir, es zu waschen!"
bat ich und sprang aus dem Bett.
"Nein, mein Lieber! Heute nicht! Du machst das zu hingebungsvoll
und ich bin spät dran.
Es
war schwarz, von kräftiger Struktur und gebärdete
sich überaus störrisch. Ich liebte es, die Fülle
aus der Stirn zu streifen wie zu einem Helm, der bis über
die Schultern reichte. Warmes Wasser, Bel schloss die Augen,
die Kraft der Spiralfedern schien für kurze Zeit gebändigt.
Im nassen Zustand maß sie eins sechsundsiebzig. Dazu kamen
sechzig Kilo Idealgewicht, verteilt auf die heilige Dreieinigkeit.
Eine Art Archiv. Bilderbücher. Darunter auch Fotos ihrer
letzten Saison als Model, als ein dicker kleiner Mann an ihrer
Seite ging, dessen Namen ich wieder vergessen habe. Er hatte
seinen Arm um ihre Taille gelegt. Die beiden schritten auf diese
Weise eng nebeneinander über den Laufsteg.
"Ich höre, du willst Mode machen, meine kleine Bel?",
raunte er ihr beiläufig zu. Der Satz fing auf Französisch
an, aber seine steil abfallende Melodie endete in einem biederen
lombardischen Akzent. Bel schaute weiter geradeaus und zeigte
unbeirrt ein strahlendes Lächeln. "Na, dann mach mal
schön!" fügte er noch hinzu.
Bel hatte en Satz noch lange Zeit im Ohr. Beide waren für
das Abschlussdefilée ganz in Schwarz erschienen. Bel
in einem wundervollen Seidenkleid, hoch geschlossen bis zum
Hals, mit einer langen Schleppe wie für eine Braut.
Mit Blick auf das Foto sagte ich: "Eine Braut, die nach
der Hochzeit zum Friedhof geht!"
Bel erwiderte: "Ja, ich weiß. Er wusste das auch.
Es ist ein Spiel, verstehst du? Ein Spiel."
Der
kleine Dicke, distinguiert mit einem Zweireiher, dem goldene
Knöpfe Form gaben. Der Look des Großbürgertums.
Für Bel war es Mode, Spiel. Der gepflegte Vollbart hier,
die nackten Arme dort zum Kontrast: der ältere, dicke,
kleine Mann und die junge, schlanke, ihn überragende Frau.
"Was soll's denn sein, Kleines?" fragte er sie Backstage
noch einmal: "Willst du nur ein paar Sachen schneidern
oder gleich ein neues Lebensgefühl?"
Das war nicht einmal ironisch gemeint. Einige der Umstehenden,
eine Art Groupies, hatten mitgehört, sie waren "special
guests der großen Vagabondage" (wie Bel es nannte).
Entzückt schauten sie dem ungleichen Paar entgegen: 'Lebensgefühl'.
Das Wort schien tauglich, auch die tiefsten Risse zu glätten.
Es gab noch ein weiteres: 'Identität', das sich in der
Szene wie ein Irrlicht gebärdete.
"Solche Erwartungen galt es zu erfüllen", sagte
Bel. "Ich habe tausend Mal gedacht: Das schaffe ich
nicht! Das schaffe ich nicht! - Und doch, irgendwann kehrte
mein Selbstvertrauen zurück und ich sagte mir: Warum
eigentlich nicht, zum Teufel? Denn die Frage kann nur sein:
Welches Lebensgefühl? Welche Identität? Und welche
von meinen Sachen passen dazu?"